Multiplicity and Competition. Concepts of Identity in Contemporary Historiography

Multiplicity and Competition. Concepts of Identity in Contemporary Historiography

Organisatoren
Siegfried Weichlein; Franziska Metzger; Universität Freiburg/Schweiz; Seminar für Zeitgeschichte Freiburg/Schweiz
Ort
Freiburg/Schweiz
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.09.2007 - 29.09.2007
Url der Konferenzwebsite
Von
David Luginbühl, Seminar für Allgemeine und Schweizerische Zeitgeschichte, Universität Freiburg/Schweiz

Wie können Prozesse der Gruppenbildung theoretisch erfasst werden? Wie erklärungskräftig ist in diesem Kontext der Begriff „Identität“? Welche alternativen Konzepte bieten sich an? Solche Fragen standen im Zentrum einer im Rahmen des SCOPES-Projektes 1 „Institutionalization of Scientific Networks and Scholarly Activities for the Promotion of Cross-Cultural and Inter-Disciplinary Approaches on Nationalism in the Europe of Small Nations“ zwischen dem Seminar für Zeitgeschichte der Universität Fribourg und dem Center for Advanced Study Sofia durchgeführten Konferenz in Freiburg/Schweiz. Auf der Basis ihrer jeweiligen Dissertationsprojekte setzten sich die Teilnehmer kritisch mit den jeweils verwendeten Methoden und Perspektiven auseinander. Thematische Schwerpunkte bildeten die Forschungsfelder Nationalismus, Religion und Antisemitismus. Die Referate wurden jeweils von einem Mit-Doktoranden sowie von Professoren aus der Sozialanthropologie, der Literaturwissenschaft, der Religionswissenschaft, der Philosophie und der Zeitgeschichte kommentiert und daraufhin ausführlich im Plenum diskutiert.

In seinem einführenden Votum thematisierte Siegfried WEICHLEIN (Freiburg/Schweiz) den inflationären Gebrauch des Identitätsbegriffs sowohl in der Wissenschaft als auch in der breiteren Öffentlichkeit. In einem Überblick betonte er den großen Einfluss des Konstruktivismus und des Postmodernismus auf die Identitätsdebatte, in welche sich die Geschichtswissenschaft mit großer Verspätung eingeschaltet habe. Eine kritische, auf breiter Ebene geführte Auseinandersetzung mit dem Identitätsbegriff machte Weichlein innerhalb der Historiographie erst in den 1990er Jahren aus, wobei auch in der Gegenwart noch teilweise ein unreflektierter Umgang mit dem Konzept „kollektive Identität“ festzustellen sei.

In Anlehnung an Peter Wagner unterschied Weichlein abschließend drei Sichtachsen auf Identität: Zum einen die Achse Bedeutung und Kultur, zum zweiten die Achse Handlungsfähigkeit und Moderne, und schließlich das Spannungsfeld Einheit und Differenz. 2
Es kann vorweggenommen werden, dass im Verlaufe der Konferenz alle drei Sichtachsen berührt wurden. Während sich auf der Achse Bedeutung und Kultur ein kritisch reflektierter Identitätsbegriff weitgehend als unersetzliches Arbeitsinstrument herausstellte, gerieten modernisierungstheoretisch fundierte Identitätskonzepte stärker in die Kritik. Diskutiert wurden ferner stark systemtheoretisch orientierte Ansätze und – vor allem in der Nationalismusforschung dominierende – kultur- und handlungstheoretische Perspektiven.

Die Reihe der Vorträge wurde von Eva MAURER (Freiburg/Schweiz) eröffnet. Anhand des Beispiels sowjetischer Alpinisten zeigte Maurer auf, wie sich eine Gruppe innerhalb der stalinistischen Sowjetunion um eine eigene Identität bemühte, in einem System also, das sich mit Verve der Identitätspolitik verschrieben hatte und insbesondere in einer frühen Phase den „neuen sowjetischen Menschen“ propagierte. In ihrem Ringen um offizielle Anerkennung und damit auch um finanzielle Mittel übernahmen die in Verbänden organisierten Alpinisten die jeweils dominierenden Diskurse des Regimes. Während der „Kulturrevolution“ (1928-31/32) inszenierte sich der sowjetische Alpinismus beispielsweise als proletarisches Gegenbild zum „bürgerlichen“ und „individualistischen“ Alpinismus der vorkommunistischen Ära; vor dem Hintergrund der Militarisierung der sowjetischen Gesellschaft im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs versuchte er sich als „Wächter der Gebirgsgrenzen der Sowjetunion“ zu präsentieren. Neben dieser Übernahme der offiziellen Rhetorik etablierte sich hingegen im Zuge der gemeinsamen Praxis und des – gerade im Alpinismus sehr wichtigen – Erfahrungsaustausches auch ein Fundus an Wissen und Erinnerung innerhalb der Gruppe, der mit den sich verändernden Identitätskonzeptionen der Sowjetpropaganda in Konflikt geriet. Innerhalb der Gruppe tradierte Erinnerung entwickelte sich hier zum Hemmfaktor für die systemkonforme Integration der Alpinisten und wurde gleichzeitig zum Katalysator für gruppeneigene Identitätskonzepte. Maurer schloss mit einem Plädoyer für ein Abrücken von einer zu einseitigen „top-down“-Perspektive der Totalitarismusforschung, die die Kontrollpotenz totalitärer Regime überschätze und „bottom-up“-Prozesse ausblende; ein Anliegen, das in der Diskussion auf offene Ohren stieß.

Thomas WERNEKE (Berlin) bot anschließend eine breite Übersicht über die zeitgenössische Kritik am Begriff „Identität“ und plädierte für die gänzlich Aufgabe des Begriffs „kollektive Identität“, da dieser aufgrund der verschiedenen Relativierungen seine Aussagekraft eingebüßt habe, zu Recht als „Plastikwort“ bezeichnet und im Alltagsgebrauch in essentialisierender Art und Weise verwendet werde. Einer missbräuchlichen Verwendung des Begriffs vermöge auch eine differenziert argumentierende Wissenschaft nichts entgegenzusetzen. Als Alternative propagierte Werneke eine stärkere Fokussierung auf Sinnsysteme, in deren spezifischen Schnittmengen das Individuum verortet werden könne.

Von verschiedener Seite wurde anschließend eingewendet, dass mit dem schlichten Verzicht auf die Identitätsterminologie und deren Ersetzung durch andere Begrifflichkeiten nichts gewonnen wäre. Vielmehr müsse das Konzept flexibilisiert werden, vor allem in die Richtung, dass vermehrt Identitäten im Plural thematisiert würden. Weiter wurden Erklärungsmodelle, die gänzlich auf das „Andere“ verzichteten, als wenig erklärungskräftig abgelehnt. Kritisiert wurde auch eine unscharfe Trennung von Theorie und Methode, die die Identitätsdebatte auf Abwege führe.

Auf die sehr grundsätzlich geführte Theoriedebatte folgte wiederum das konkrete Beispiel, nämlich „Jüdische Schriftsteller rumänischer Sprache“ – oder doch eher „rumänische Schriftsteller jüdischer Herkunft“? Marioara-Camelia CRACIUN (Budapest) schilderte, wie sich eine Reihe von Schriftstellern im Rumänien der Zwischenkriegszeit ganz konkret mit dieser Frage konfrontiert sah. 1935 wurden sie in der Zeitschrift „Facla“ aufgefordert, Stellung zu beziehen und sich zu verorten. Die Schriftsteller bemühten sich um differenzierte Antworten, die denn auch nicht auf einen eindeutigen Nenner gebracht werden können. Während sich einige Autoren als Mitglieder einer universellen Intellektuellenkultur identifizierten, rangen andere um eine Verbindung jüdischer und rumänischer Identität, ein Anliegen, das sowohl von jüdischer als auch von rumänischer Seite auf teilweises Unverständnis stieß. Im Kontext der nationalen Identitätskonstruktion erschien ein Umgehen der „entweder-oder“-Frage je länger je weniger möglich. In der anschließenden Diskussion wurde vor allem die Minderheitenlage der jüdischen Bevölkerung im sich als Nation rekonstruierenden Rumänien der Zwischenkriegszeit herausgestrichen. Craciun verwies dabei auch auf den im Vergleich etwa zur deutschen Minderheit sehr ausgeprägten Assimilationswillen der jüdischen Bevölkerung, der von nationalistischer Seite oft mit Erstaunen aufgenommen worden sei. Offensichtlich wurde hier mit einem Bild „des Juden“ operiert, das einer Konfrontation mit der Realität nicht standhielt. Dieser Aspekt führte unter den Teilnehmern zu einer Diskussion um die Rolle fiktionaler Konstrukte im Prozess der Konstruktion von Identitäten sowie um die Wechselbeziehung von Fremd- und Selbstbeschreibungen innerhalb dieses Prozesses. Gerade hier erwies sich die Präsenz zweier Literaturwissenschaftler und deren Ausführungen zur Figur „des Juden“ in der Literatur als sehr fruchtbar.

Das Referat von Thomas METZGER (Freiburg/Schweiz) zum Antisemitismus in der Schweiz der Zwischenkriegszeit schloss nahtlos an diese Diskussion an. Mit der zunehmenden Essentialisierung der Nation und der Abkehr von der liberalen Immigrationspolitik seit 1910 gewannen Antijudaismus und rassistisch argumentierender Antisemitismus in der Schweiz an Bedeutung. Die 1917 geschaffene Fremdenpolizei symbolisierte den Paradigmenwechsel in der Immigrationspolitik, der sich dadurch auszeichnete, dass Assimilation als Vorbedingung und nicht mehr als Folge von Einbürgerung verstanden wurde. Vor dem Hintergrund des seit 1900 virulenten Überfremdungsdiskurses wurden die Juden und insbesondere die Ostjuden als Gruppe konstruiert, welche aufgrund ihrer zweifachen Verschiedenheit als Ausländer und als Nichtchristen als kaum assimilationsfähig galt. Dies schlug sich erstmals 1912 in einem Gesetz nieder, das die Einbürgerung von Juden in der Stadt Zürich an strengere Auflagen knüpfte. Seit 1926 wurden diese antisemitischen Richtlinien – ohne gesetzliche Grundlage – auch von der schweizerischen Fremdenpolizei übernommen. Den Höhepunkt erreichten die Verschärfungen 1941, als ein numerus clausus die Zahl der Einbürgerungen von Juden auf zwölf pro Jahr beschränkte. Solche antisemitischen Sonderregelungen standen in scharfem Widerspruch zum Konzept der „Geistigen Landesverteidigung“, welches den Antisemitismus als wesentlichen Bestandteil des Nationalsozialismus offiziell als „unschweizerisch“ ablehnte, ein Widerspruch, der mittels eines „prophylaktischen Antisemitismus“ überbrückt wurde, nach dem eine restriktive Politik gegenüber jüdischer Immigration als Bedingung für eine erfolgreiche Hinderung antisemitischer Tendenzen im Landesinnern diente. Offener Antisemitismus, wie ihn zu Beginn der 1930er Jahre die nationalsozialistisch inspirierten „Fronten“ propagierten, konnte damit erfolgreich als „unschweizerisch“ ausgegrenzt werden – bei gleichzeitiger Verschärfung der antisemitisch motivierten Immigrationspolitik. In der Diskussion wurde insbesondere der Mehrwert unterschiedlicher Zugänge, so insbesondere sozial- und kultur- bzw. diskursgeschichtlicher, auf die Erforschung des Antisemitismus in verschiedenen Ländern debattiert.

Zum Identitätsdiskurs innerhalb der stalinistischen Sowjetunion referierte Cristian Bogdan JACOB (Budapest). Im Zentrum stand dabei der „national turn“ innerhalb dieses Diskurses, ein turn, der sich sowohl in offiziellen Parteipublikationen als auch innerhalb der Historiographie nachweisen lasse. An die Stelle von Gesellschaftsbeschreibungen auf der Basis von Klassenunterschieden trat nach Jacob das historiographische Narrativ der „sozialistischen Nation“. Das Staatsbürgerrecht wurde dabei zu einem zentralen Inklusions- und Exklusionsmechanismus. Die sowjetische Angst vor kapitalistischen Einflüssen und territoriale Strategien machten grenzüberschreitende Bindungen suspekt. Seit den frühen 1930er Jahren, verstärkt seit 1935 wurde die Sowjetunion zu einem Raum der ethnischen Säuberungen und die Kategorie der „feindlichen Nation“ zu einer Konstante im öffentlichen Diskurs. Ganze Nationalitäten wurden der Illoyalität gegenüber dem bolschewistischen Projekt bezichtigt. Neben dieser Konstruktion mehrerer ethnisch definierter „Anderer“ lässt sich auch eine zunehmende Identifizierung der Sowjetunion mit einem russischen Kern feststellen. Dieser Prozess äußerte sich nach Jacob in der Russifizierung der RSFSR, in der Überhöhung der russischen Kultur innerhalb der gesamten UdSSR sowie in der Metapher des russischen Volkes als Erstes unter Gleichen. Im Zentrum der Diskussion standen die Nützlichkeit des Konzeptes des Nationalstalinismus und das Verhältnis von internationalistischen und nationalistischen Diskursen.

David LUGINBÜHL (Freiburg/Schweiz) setzte sich anschließend mit der Bildung des weite Teile des katholischen Europa umspannenden ultramontanen Kommunikationsnetzwerks im frühen 19. Jahrhundert auseinander. Luginbühl betonte die zentrale Rolle der Medien, vor allem der Zeitschriften, für diesen als Integration gegenaufklärerischer Intellektuellenzirkel verstandenen Prozesses und hob die Bedeutung hervor, welche der „öffentlichen Meinung“ innerhalb ultramontaner Kreise beigemessen wurde. Innerhalb dieser medialisierten ultramontanen Öffentlichkeit hätten sich Vergangenheitsinterpretationen und Zukunftsentwürfe homogenisiert und seien Identitätsangebote konstruiert worden. Luginbühl verwies weiter auf das spannungsgeladene Verhältnis zwischen diesem horizontal ausgerichteten Netzwerk und der vertikal strukturierten kirchlichen Hierarchie. Die Diskussion drehte sich in erster Linie um die gerade im Falle des Ultramontanismus ausgeprägten Überschneidungen religiöser und nationaler Identitäten.

Ionut-Florin BILIUTA (Budapest) führte die Teilnehmer in die Gedankenwelt des Philosophen Nae Ionescu (1890-1940) ein, dem Vordenker eines radikalen Konzepts rumänischer Identität auf der Basis orthodoxer Spiritualität. Aus politischen Motiven – der Parteinahme für den im Exil weilenden Prinzen Carol II. – begann Ionescu zwischen 1926-1933 die Orthodoxie als einziges Kriterium für die Zugehörigkeit zum Rumänentum zu propagieren, in Abgrenzung zur griechisch-orthodox dominierten Bauernpartei, welche der Rückkehr des Monarchen ablehnend gegenüberstand. Im Verlaufe dieser Jahre radikalisierte Ionescu seine Ideen und vertrat schließlich eine „ethnische Ontologie“, nach welcher Orthodoxie mit Rumänentum und Rumänentum mit Orthodoxie gleichgesetzt wurden. Nicht-orthodoxe Staatsbürger konnten demnach zwar immer noch „gute“, nicht jedoch „wahre Rumänen“ werden. 1933 öffnete Ionescu die Spalten seiner Zeitschrift „Cuvîntul“ der Eisernen Garde, der er zwar nie beitrat, auf welche er jedoch einen bedeutenden ideologischen Einfluss ausübte. Biliuta betonte dabei die unabhängige Stellung Ionescus gegenüber der Politik und relativierte dessen Einfluss auf die konkrete Politik der Eisernen Garde. Diese starke Abgrenzung des Philosophen Ionescu vom religiösen Nationalismus der Eisernen Garde wurde in der anschließenden Diskussion kritisch betrachtet und allgemein unter dem Aspekt des Einflusses radikaler Denker auf Identitätskonzeptionen in xenophoben Nationalismen der Zwischenkriegszeit diskutiert. Parallelen etwa zu Charles Mauras, der wie Ionescu eine Art „religiösen Nationalismus“ propagierte, wollte Biliuta nicht gelten lassen. Ob der Debatte um den Einfluss Intellektueller auf die Politik geriet die Identitätsthematik kurzweilig etwas aus dem Blickfeld.

Dies änderte sich mit dem Referat von Sven-Daniel GETTYS (Bochum), welcher die Identitätsdiskussion mit Luhmannscher Semantik wieder aufnahm. Auf systemtheoretischer Basis analysierte Gettys die „Suche nach Identität“ der evangelisch-lutheranischen Kirche Schwedens, welche seit dem 1. Januar 2000 ihren Status als Nationalkirche verloren hat und seither prinzipiell eine religiöse Gemeinschaft unter anderen darstellt. In einer längeren Einführung erläuterte Gettys zuerst die systemtheoretische Perspektive und den dazugehörigen Identitätsbegriff, der sich in erster Linie als Voraussetzung für die Konstruktion einer Differenz zwischen System und Umwelt und als Kontinuität sicherndes Kompensativ für Kontingenz definieren lässt. Identitätsdiskurse innerhalb eines Systems werden dann virulent, wenn die Existenz des Systems als Ganzes oder in seiner bisherigen Form in Frage gestellt wird. Ausgehend von diesen theoretischen Überlegungen wandte sich Gettys der Schwedischen Kirche zu, deren enge Bindung an den Staat seit dem späten 19. Jahrhundert hinterfragt wurde, zuerst von der sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Die Folge war ein einsetzender Selbstbeobachtungs- und -beschreibungsprozess, der nach Gettys alle Aspekte autopoietischer Systemerhaltung umfasst und der sich in den 1950er Jahren nach der Verabschiedung eines Gesetzes zur religiösen Freiheit intensivierte. Systemintern führte die diagnostizierte Krise zur Diskussion neuer Identitätsentwürfe, etwa der „Volkskirche“ im Gegensatz zur klassischen „Priesterkirche“. Die folgende Diskussion kreiste einerseits um die Frage nach dem Mehrwert der komplexen Systemtheorie innerhalb geschichtswissenschaftlicher Fragestellungen, andererseits um deren Anwendbarkeit auf stärker ausdifferenzierte religiöse Systeme wie etwa jenes der USA.

Zum Schluss der Tagung stellte Sinziana PALTINEANU (Budapest) ihr sich in der Entstehungsphase befindendes Dissertationsprojekt vor. Paltineanu setzt sich mit Fragen zu Integrations- und Assimilationskonzeptionen in der österreich-ungarischen Doppelmonarchie auseinander und legte den Fokus auf die rumänische Minderheit im ungarischen Teil der Monarchie seit dem Ausgleich von 1867. Das Forschungsinteresse liegt in einer begriffsgeschichtlichen Analyse des Assimilationsbegriffs, wie er in politischen Diskursen auf ungarischer wie auch auf rumänischer Seite verwendet wurde und auf seinen Querbezug zu Begriffen wie Nation, Nationalität, Minderheit, Rasse oder Magyarisierung. Das Projekt wurde im Folgenden angeregt diskutiert, in erster Linie die Frage nach dem weiteren Vorgehen. Angeregt wurde unter anderem eine Öffnung des begriffsgeschichtlichen Ansatzes zur Diskursanalyse.

Gerade die Vielzahl der vorherrschenden Sichtweisen in Bezug auf Identitätskonzepte und deren Brauchbarkeit in den Geschichts- und anderen Geistes- und Sozialwissenschaften hat sicherlich zu einer weiteren Sensibilisierung der Teilnehmer im Minenfeld „Identität“ beigetragen. Als wertvoller Input wurde in der Schlussdiskussion insbesondere der Vorschlag des Sozialanthropologen Christian Giordano gewertet, den Begriff „kollektive Identität“ zugunsten des stärker auf die Pluralität verweisenden Ausdrucks „geteilter Identitäten“ aufzugeben. Allgemein wurde die Fruchtbarkeit des interdisziplinären Austausches hervorgehoben, die mit dem System der Kommentatoren aus anderen Fachbereichen auch in kommenden Konferenzen beibehalten werden soll. Die Publikation eines Teils der Vorträge, welche an dieser und an anderen Konferenzen des insgesamt dreijährigen SCOPES-Projekts seit Herbst 2005 präsentiert wurden, ist geplant.

Konferenzübersicht

Multiplicity and Competition. Concepts of Identity in Contemporary Historiography

Siegfried Weichlein, Freiburg/Schweiz: Introduction and Presentation

Eva Maurer, Freiburg/Schweiz: Group identities within Stalin’s Soviet Union? The case of Soviet mountaineers, 1927–1953 (Junior Commentator: Cristian Bogdan Jacob; Senior Commentator: Catherine Bosshart-Pfluger)

Thomas Werneke, Berlin: Did identity lose itself? – The overexpansion of a distinctive term (Junior Commentator: Eva Maurer; Senior Commentator: François Ruegg)

Marioara-Camelia Craciun, Budapest: Between “Jewish Writers of Romanian Language” and “Romanian Writers of Jewish Origin”: Intellectual identity and politics in interwar Romania (Junior Commentator: Thomas Metzger; Senior Commentator: Dimiter Daphinoff)

Thomas Metzger, Freiburg/Schweiz, Concepts of identity in research on antisemitism. The example of interwar Switzerland (Junior Commentator: Marioara-Camelia Craciun; Senior Commentator: Thomas Hunkeler)

Cristian Bogdan Jacob, Budapest: National-Stalinism: ideology between ascribing class and re-imagining community (Junior Commentator: Sinziana Paltineanu; Senior Commentator: Christian Giordano)

David Luginbühl, Public sphere and identity: ultramontane catholic communication networks in the early 19th century (Junior Commentator: Sven-Daniel Gettys; Senior Commentator: Simone Zurbuchen)

Ionut-Florin Biliuta, Orthodoxy as national identity in interwar Romania. An inquiry into the “Ethnic Ontology” of Nae Ionescu (1890–1940) (Junior Commentator: David Luginbühl; Senior Commentator: Mark Edward Ruff)

Sven-Daniel Gettys, “Att söka en identitet”. Self-substitution and autopoiesis within the religious system (Junior Commentator: Ionut-Florin Biliuta; Senior Commentator: Ansgar Joedicke)

Sinziana Paltineanu, Integration vs. assimilation in the Austro-Hungarian Empire: a case study of the Romanian community in Hungary (1867–1918) (Junior Commentator: Thomas Werneke; Senior Commentator: Franziska Metzger)

Anmerkungen:
1 SCOPES steht für „Scientific Co-operation between Eastern Europe and Switzerland“.
2 Wagner, Peter, Fest-Stellungen. Beobachtungen zur sozialwissenschaftlichen Diskussion über Identität, in: Assmann, Aleida ; Friese, Heidrun (Hrsg.), Identitäten. Erinnerung, Geschichte, Identität 3, (2. Aufl.) Frankfurt am Main 1999, S. 44-72.


Redaktion
Veröffentlicht am